„Verstehst du mich???“
„Auf
Deutsch heißt das: „Bitte nicht auf den Boden pieseln...“ lache
ich los und verschlucke mich fast an meinem Kaffee. „Como?“ fragt
unser spanischer Arbeiter etwas ratlos und schaut von seiner
Schreibarbeit zu unseren Füßen zu uns herauf. Mein Mann erklärt
ihm meine Aussage recht anschaulich per Zeichensprache, was unseren
Chico umgehend zu heftigen Wisch-und Putzarbeiten auf den frisch
verlegten Bodenfliesen animiert. Als unverfängliche Alternative
steht dann am Ende „Dangerus“ in fast perfektem Englisch darauf.
Tja,
Kommunikation ist schon ein echt komplexes Thema und bringt uns immer
wieder an unsere Grenzen. Trotz mehr oder weniger fleißigen Lernens
und täglicher Praxiseinheiten gibt es immer noch so viele
Themenbereiche, bei welchen wir gar nicht oder nur bruchstückhaft
den spanischen Unterhaltungen folgen können. Immerhin sind wir in
Baumärkten, beim Automechaniker und beim Einkaufen schon ziemlich
weit vorne. Die Kinder haben uns in ihrem Schul-Jargon meilenweit
abgehängt und in Katalan verstehen wir alle weiterhin meistens nur
Bahnhof.
Umso
mehr hat es mich mal wieder überrascht, dass wir durchaus nicht nur
in diversen Fremdsprachen am gegenseitigen Verständnis scheitern,
sondern ganz banal auch so häufig, wenn wir uns in unserer
(vermeintlich) gemeinsamen Sprache unterhalten. Da scheint manchmal
ein ganzes Sonnensystem nicht auszureichen, um die Weite zu
beschreiben, mit der man kommunikativ auseinanderdriftet.
Mein Mann und ich haben mittlerweile beschlossen, unsere endlosen Diskussionen über bestimmte Themen in Zukunft einfach sein zu lassen und uns in großzügiger Toleranz dem anderen gegenüber zu üben.
Ob uns das gelingt???? Bis zum nächsten Mal wahrscheinlich...
Mein Mann und ich haben mittlerweile beschlossen, unsere endlosen Diskussionen über bestimmte Themen in Zukunft einfach sein zu lassen und uns in großzügiger Toleranz dem anderen gegenüber zu üben.
Ob uns das gelingt???? Bis zum nächsten Mal wahrscheinlich...
Ich
merke zu meinem Erstaunen, dass ich inzwischen nicht mehr danach
strebe, mich allen verständlich zu machen, im Gegenteil. Ich empfinde es als
angenehmen Rückzugsort, dass ich auch Themen mit mir herum trage,
die eben nicht alle etwas angehen, sondern die nur mir gehören.
Und
es ist tatsächlich überhaupt nicht wichtig, wenn sich für gewisse
Dinge niemand anderes begeistert oder mich an dieser Stelle nicht
versteht und ich sie deshalb nur mit mir selbst teile. Falls sich
allerdings doch jemand aus Versehen dafür interessieren sollte, ist
er natürlich herzlich eingeladen, mir zu folgen.
Ich
hatte diese herrlich befreiende Erkenntnis allerdings nicht ganz
alleine, sondern wurde durch eine schöne Geschichte darauf gestoßen,
die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Einer
meiner neuen Lieblingsautoren, der Argentinier Jorge Bucay,
schrieb also
Folgendes:
********
„Das
Labyrinth:
SCHON
IMMER hatte sich Joroska für Rätsel interessiert. Von klein auf
hatte er mit Vorliebe Kreuzworträtsel und Denksportaufgaben gelöst,
Geheimschriften entziffert, Labyrinthe erforscht und war jedem
Mysterium auf die Schliche gekommen, das sich ihm geboten hatte. Mit
mehr oder minderem Erfolg hatte er einen Großteil seines Lebens und
seiner Hirnkapazität der Lösung von Problemen gewidmet, die andere
sich ausgedacht hatten. Natürlich war er nicht allwissend, es waren
ihm immer wieder Rätsel untergekommen, die selbst für ihn zu
kompliziert waren. (...)
Vor
einiger Zeit hatte Joroska entdeckt, dass er gewisse
Erfolgserlebnisse im Leben brauchte. War das der Grund, warum ihm die
Rätsel inzwischen nicht mehr solche Freude bereiteten? Schon nach
dem ersten Versuch überkam ihn in der Regel eine tödliche
Langeweile, und er ließ die Sache ruhen, um sich irgendwo in seinem
Hinterstübchen über den idiotischen Schöpfer solcher Aufgaben zu
mokieren, der sicherlich selbst mit dieser Lösung überfordert wäre.
Aus
der Tatsache, dass ihn auch die leichtesten Fälle schnell
langweilten, folgerte er, dass Rätsel stets passgenau auf ihre
Rätsellöser zugeschnitten waren und nur sie selbst den richtigen
Schwierigkeitsgrad für sich kannten. Im Idealfall schneiderte sich
jeder sein Rätsel selbst auf den Leib, dachte er. Aber sofort wurde
ihm klar, dass damit das Rätsel sein Geheimnis verlor, denn
natürlich kannte jeder Erfinder zugleich auch die maßgeschneiderte
Lösung für das Problem.
Ein
bisschen aus Spieltrieb und ein bisschen vom Gedanken geleitet,
Leuten zu helfen, die wie er Spaß am Rätselraten hatten, begann er
Probleme zu erfinden, Wortspiele, Zahlenrätsel, logische
Kniffelaufgaben und abstrakte Fragestellungen jedweder Art.
Sein
Meisterstück aber war die Erfindung eines Labyrinths. Eines ruhigen
sonnigen Tages begann er in einem der Zimmer seiner riesigen Wohnung
Wände hochzuziehen, und Stein um Stein errichtete er in
naturgetreuem Maßstab ein riesiges Labyrinth.
Die Jahre vergingen.
Seine Rätsel verbreitete er unter Freunden und der ein oder anderen
Tageszeitung. Das Labyrinth aber behielt er unter Verschluss: Es
wuchs und wuchs innerhalb seines Hauses und veränderte sich ständig.
Joroska machte es von Mal zu Mal komplizierter, fast unmerklich baute
er immer weitere Irrwege ein.
Dieses Werk entwickelte sich zu seiner Lebensaufgabe. Es verging kein Tag, an dem Joroska nicht irgendeinen Ziegelstein hinzufügte, einen Ausgang vermauerte oder eine Kurve verlängerte, um den Parcours zu erschweren. Nach gut und gerne zwanzig Jahren nahm das Labyrinth das gesamte Zimmer ein und hatte sich bereits unmerklich auf den Rest des Hauses ausgedehnt.
Dieses Werk entwickelte sich zu seiner Lebensaufgabe. Es verging kein Tag, an dem Joroska nicht irgendeinen Ziegelstein hinzufügte, einen Ausgang vermauerte oder eine Kurve verlängerte, um den Parcours zu erschweren. Nach gut und gerne zwanzig Jahren nahm das Labyrinth das gesamte Zimmer ein und hatte sich bereits unmerklich auf den Rest des Hauses ausgedehnt.
(…)
Am Anfang war er sehr stolz auf sein Werk. Er vergnügte sich damit,
die verschiedenen Gänge zu durchwandeln, die ihn immer wieder in die
Irre führten, obschon er selbst sie entworfen hatte, denn es war
einfach unmöglich geworden, all die Wege im Gedächtnis zu behalten.
Es
war ein auf ihn zugeschnittenes Labyrinth. Maßgeschneidert nur für
ihn. Irgendwann begann Jorosko, sich Leute nach Hause, in sein
Labyrinth einzuladen. Aber selbst die, die sich anfangs brennend
dafür interessiert hatten, begannen sich, wie er selbst bei fremden
Rätseln, innerhalb kürzester Zeit zu langweilen.
Joroska
bot sich an, Hausführungen zu machen, aber häufig trat schon sehr
bald Aufbruchstimmung ein. Die Besucher waren sich meist einig: „So
kann man doch nicht leben!“
Irgendwann
hatte Joroska seine ewige Einsamkeit satt und zog um in ein Haus ohne
Labyrinthe, wo er problemlos Gäste empfangen konnte.
Sobald
er jedoch jemanden kennenlernte, der ihm ein bisschen helle erschien,
zeigte er ihm sein wahres Zuhause. Joroska öffnete sein Labyrinth
nur noch denjenigen, die einer solchen Offenbarung würdig waren.
Aber
nie fand Joroska jemanden, der bereit gewesen wäre, mit ihm dort zu
leben.“
(Jorge
Bucay, aus: „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“)
********
Fühlt
man sich durch diese Schlussfolgerung nun einsam oder befreit?
Und gibt es Menschen, die uns wirklich helle genug erscheinen, dass sie unseres ganz persönlichen Labyrinthes würdig sind? Laufen wir nicht Gefahr, ordentlich hereinzufallen, wenn wir uns jemandem in dieser Art und Weise anvertrauen?
Das ist die Frage...und wie immer ist es jedem selbst überlassen, darüber zu entscheiden.
Und gibt es Menschen, die uns wirklich helle genug erscheinen, dass sie unseres ganz persönlichen Labyrinthes würdig sind? Laufen wir nicht Gefahr, ordentlich hereinzufallen, wenn wir uns jemandem in dieser Art und Weise anvertrauen?
Das ist die Frage...und wie immer ist es jedem selbst überlassen, darüber zu entscheiden.
Auf
jeden Fall bin ich mir in einer Sache sehr sicher:
Es ist auch schön, „etwas ganz Eigenes“ zu haben –
und sei es im Notfall auch nur ein Jodeldiplom. 🎵😁
Es ist auch schön, „etwas ganz Eigenes“ zu haben –
und sei es im Notfall auch nur ein Jodeldiplom. 🎵😁