„Der Schnapp des Tages“

Es dämmert schon, die Schatten werden lang. Die tiefrote Sonne macht sich auf den Weg zur anderen Seite der Erde, langsam verschwindet sie hinter unserem Berg und taucht die ganze Landschaft in ein Meer aus Gold. Lau streicht der Abendwind um Häuser, Sträucher und Palmen...und um die grünen Mülltonnen. 
 
Und um diese streicht wiederum nicht nur der Wind, sondern, wie schon vor langer Zeit einmal erwähnt, immer wieder auch mehr oder weniger zwielichtige Gestalten auf der Suche nach verwertbaren Schätzen.

So auch heute. Bonnie und Clyde in Flipflops. Und recht wenig elegant. „Pass auf, da ist noch Geschirr drin! Du musst sie höher halten!“ Im gegengleichen Wiegeschritt, an dem Balu der Tanzbär seine Freude hätte, versuchen mein Mann und ich, möglichst schnell und unauffällig mit unserer Beute unser sicheres Grundstück zu erreichen. 
Natürlich klappt das nicht, wir sind laut, langsam und müssen vor Lachen zwischendurch Pause machen. Wir haben diesmal die Seite gewechselt und kommen uns echt einheimisch vor. Nachdem wir wochenlang alten Schrott aus dem Haus geschafft haben, tragen wir jetzt fröhlich anderen alten Schrott wieder herein.

Auf dem Rückweg vom Einkaufen entdecke ich das wunderschöne Stück einladend neben der Mülltonne in fußläufiger Entfernung zum Häuschen. Eine antike Kommode, das Muster passend zu derjenigen, die wir schon besitzen und mit den perfekten Maßen für unser Gästezimmer. Ich jubele laut, mache vor unserem Tor eine Vollbremsung (wir sind im Moment glückliche Besitzer eines Mietautos - aber das ist eine andere Geschichte...) und flitze aufgeregt zu meinem Mann ins Haus. 

„Schnell!!! Draußen ist eine Kommode, die brauchen wir, ich kann sie aber nicht alleine tragen, hilft du mir kurz? Die ist total toll, da standen gestern schon so viele alte Sachen rum, ich glaube es entrümpelt jemand von unseren Nachbarn, der hat echt schöne Sachen!“ „Wie bitte?“
„KOMM HALT!“ Ungeduldig spurte ich schon mal los, um mich notfalls rechtzeitig besitzergreifend auf meine Beute werfen zu können.

Nun steht die kleine Kommode brav vor sich hin und sieht schön aus. Und sie hat uns tatsächlich die lange Fahrt nach Palma zu IKEA erspart. 
Ja, wir sind inzwischen auf den „alternativen“ Geschmack gekommen. Wir bauen Garderoben und Pinnwände aus alten Fensterläden, möbeln die antiken Nachttischchen auf und lieben unseren Wohnzimmertisch mit den schweren, mit grünem Samt bezogenen Stühlen, die aussehen, als wären sie der legendären Tafelrunde von König Artus entsprungen.
Nicht zu vergessen den riesigen Esstisch, den unsere Freunde aus den übrigen Holzbohlen gezimmert haben und der jetzt das Glanzstück unserer Außenküche ist. Wir shoppen im „Second-Hand-Laden“: fünf massive Holzstühle für 25 Euro, fehlt nur noch eine Holzbank.

Aus Alt mach Neu und dann wieder ein bisschen Alt. Gefällt mir.

In zehn Tagen kommen wieder einmal Freunde zu Besuch und bis dahin soll die Baustelle beendet sein. Wir möchten einfach auch gerne fertig werden. Keine Farbeimer mehr, kein Fugenmaterial, keine Fliesen, keine schwarzen Säcke, keine Erde, kein Müll, BITTE. 
Wir haben unser Limit erreicht und freuen uns auf die Pause. 
 
Mit unserem vielseitigen Erfahrungsschatz der letzten Monate könnten wir inzwischen locker ein Geschäftsmodell eröffnen, das ist ja hier sowieso üblich:
Mobiles Einsatzkommando. Wir können zwar nix richtig, machen aber alles. Fliesenverlegung, Malerarbeiten, Abdichtungen, Sanitär, Hausputz, Partnerberatung, Gin-Tasting, Burger-Restaurant, hausgemachte Paella und Sangria“.

Also, mit so einer Grundlage kann doch nichts mehr schief gehen, 
dann auf zu neuen Projekten! 👉💪👈






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