Wir tauchen ab...


Jippieh, Sonntag! 😍
Heute gehen wir ans Meer.
Das klingt irgendwie ein bisschen komisch, weil wir jetzt ja eigentlich immer ans Meer gehen können...und was passiert? 
Wir machen es nicht. Der Alltag hat uns anscheinend auch hier schon gut im Griff und so sind wir unter der Woche ebenso wenig am Meer wie der Spanier an sich.

Das wollen wir jetzt entsprechend nachholen und packen den Silberflitzer voll mit unseren Strandutensilien und unserer neuesten Errungenschaft: 
zwei Super - Schnorchelmasken, die das Gesicht vollständig bedecken, damit man unter Wasser atmen kann und die ein bisschen so ausschauen, als würde Darth Vader zum Karneval gehen. 
Auf geht’s zum Test, ich bin gespannt.

MAMA!!!“ Ja, ich komme schon. Der Rest meiner Familie steht wild winkend auf der kleinen Sandbank im Meer, ungefähr zwanzig Meter von mir entfernt, und zeigt mir die besten Stellen zum Schnorcheln. Ich schaue mich suchend am Strand um, welche Mama da wohl gemeint sein könnte, es muss ja nicht jeder wissen, dass ich diejenige mit den Krachmachern bin.

So richtig einladend finde ich das Wasser heute nicht. Die Bucht ist schmal und recht schmutzig. Die Gewitter der vergangenen Woche haben einiges an die Strände gespült. Algen, kleine Quallen, Zigarettenstummel, Slipeinlagen (!) und ziemlich viele kleine Plastikreste treiben an der Oberfläche, was zusammen mit den vom Sonnenöl glitschigen Touristenkörpern, die mir im Weg stehen, keine gute Mischung ergibt.
Nein, nicht sehr einladend, aber was soll`s, heute gehen wir ins Meer.
Seufzend setze ich die blaue Supermaske mit der leuchtend orangefarbenen Antenne auf und mache mich widerwillig auf den Weg ins Wasser hinein, bevor die family wieder alles zusammenbrüllt.

Mit dem Sexappeal eines Teletubbies wate ich auf Zehenspitzen und mit abgespreizten Fingern durch das überfüllte Wasser und komme mir recht dämlich vor. 
Endlich erreiche ich den kleine Felsen, den mein Sohn bereits wild schnorchelnd umrundet und sichtlich Freude dabei hat. Von seinem Anblick ermutigt hole ich selbst noch einmal tief Luft und tauche ab.
Es sprudelt weiß um mich herum, ich kann nichts sehen, die Wellen schwappen über meinen Kopf, meine Ohren laufen voll Wasser. Ich rudere wild mit den Armen und habe sofort Schnappatmung. Wie ein begossener Pudel tauche ich umgehend wieder auf und reiße mir die Maske vom Kopf. 
Ich brauch frische Luft! So habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich starte noch zwei weitere erfolglose Versuche, meiner romantischen Vorstellung vom Schnorcheln im kristallklaren Meerwasser zu folgen, doch dann gebe ich auf und schleiche ernüchtert durch das immer noch schmutzige und überfüllte Wasser wieder zurück an den Strand. Nein, die Maske und ich sind keine Freunde, das müssen wir noch üben. 

Tatsächlich hat mich aber auch der Zustand des Meeres erschreckt und etwas nachdenklich zurück gelassen.
Keine bunten Korallenwelten, keine lustig umher schwirrenden Fischschwärme, das Meer ist trüb, die Felsen braun und abgestorben. Das mag so nah am Ufer vielleicht normal sein, doch eigentlich wissen wir, dass es auch viele Kilometer weiter draußen nicht besser aussieht.
Unser sorgloser Umgang mit vielen Dingen, die uns eigentlich lieb und teuer sein sollten, lässt auf Dauer Wunden zurück...vielleicht heilen sie irgendwann, doch die Narben bleiben.

Für heute haben wir genug Meer genossen und machen uns auf den Weg zum Essen. Unsere mallorquinischen Freunde zelebrieren jeden Sonntag um zwei Uhr mittags die traditionelle Paella auf ihrer kleinen Finca am Ortsrand, zu der auch wir herzlich eingeladen sind. Und wieder sind alle da und ich fühle mich spontan aufgehoben. Die etwas verunglückte Schnorchelaktion von heute morgen verblasst in der entspannten Mittagsruhe und ich lasse mich treiben.
Die beiden Omas sitzen in bequemen Schaukelstühlen im Schatten der großen Terrasse und beobachten amüsiert das Geschehen um sie herum. Beide sind recht schwerhörig, das tut der guten Stimmung aber keinen Abbruch, wir verstehen ja auch nicht alles. Mit fröhlichem Lachen und einem trockenen Rotwein überwindet man jede Sprachbarriere.

Sechs Kinder jeglichen Alters springen und toben im und um den herrlich hellblauen und mit glasklarem Wasser gefüllten Pool herum, die Jungs spielen zwischendurch barfuß eine Runde Fußball hinter dem Haus. Die acht kleinen Kätzchen verdrücken sich bei dem Getöse lieber schnell ins Gebüsch, doch sobald der Krach ein bisschen nachlässt, schleichen sie vorsichtig und neugierig wieder heran, schließlich gibt es Paella mit Gambas.

Vor dem Essen gibt es wie üblich einige Kleinigkeiten gegen den Heißhunger wie Oliven, Chips, Brotscheiben mit Sobrassada oder ein Blech mit Paprikakuchen. Ich möchte mich gerne nützlich machen und schaue mal im Haus vorbei. Margarita steht in der mallorquinisch gemauerten Küche mit dem vielen Geschirr für die Großfamilie und bereitet das urtraditionelle spanische Essen vor. „Kann ich was helfen?“ frage ich auf spanisch und prompt kommt die Antwort „Si, du darfst die Paella kochen.“ Ui.

Heiß!!! Mit rotem Kopf stehe ich bewaffnet mit einer karierten Schürze und einer viel zu kurzen Gabel an der riesige Paella-Pfanne und wende die Gambas im kochend heißen Olivenöl. Juan steht neben mir und gibt Anweisungen. Das Geheimnis einer guten Paella ist die Hitze, darum wird sie ausschließlich auf Gasbrennern oder Gasherd gekocht. Tapfer kämpfe ich mich durch den aufsteigenden köstlich duftenden Dampf der Meeresfrüchte und des gebratenen Fleisches. Ich merke, wie ich - typisch deutsch (?) - viel zu ungeduldig bin. Ständig frage ich Juan: "Fertig?" und ernte nur ein lächelndes: "Mas - mehr", noch ein bisschen länger für den guten Geschmack. 
Ein weiteres Gehimnis der guten Paella: In der Ruhe liegt die Kraft.

Muy rico! - sehr lecker!“ Alle nicken mir anerkennend zu und futtern genüsslich. Die ganze Meute sitzt am meterlangen massiven Holztisch, sechzehn Personen werden mit meiner Paella satt. Juan war zum Glück sehr zufrieden mit mir als kleines Helferlein und ich habe jetzt ein waschechtes Paellarezept direkt von der Quelle in der Tasche. Bei Kaffee und selbstgemachtem Hierbas lassen wir den Tag ausklingen und kommen erst gegen Abend wieder in unserem Häuschen an. Zufrieden und um einige Erfahrungen reicher.

Bei den Mallorquinern, die wir bisher kennengelernt haben, ist der Sonntag eindeutig der Tag der Familie. Entweder fahren alle gemeinsam aufs Land, beladen mit Picknickdecken, Essen und Rotwein oder die ganze Familie trifft sich in entspannter Stimmung auf der Finca.

In jedem Fall genießen sie den Tag fernab von der Hitze der Stadt und den überfüllten Stränden, ich denke, das wird auch für uns eine Alternative für unseren Sonntag werden.


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