Die Flut



Dies ist ein trauriger Post.
Du musst ihn nicht lesen, aber ich möchte ihn schreiben.

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Wir waren fröhlich, wir waren ausgelassen. 
Wir machten Späße, waren gemütlich zusammen essen.
Der Strom fiel aus, alle hatten die Handybeleuchtung an – ein Hoch auf die Technik.

Wir genossen den Tag, den Abend, bestaunten das Naturschauspiel.
Wir hatten ein wenig Angst, doch nicht so sehr, hatten viel Respekt vor der Gewalt des Wassers, der Blitze, des Donners. 
Er ließ die Fensterscheiben klirren, die Wände erzittern.
Wir bewunderten seine Kraft.

Wir fuhren nach Hause, spät erst, es war schon dunkel.
Vielleicht schon zu spät, denn am nächsten Tag war Schule. Das Wasser stand auf der Straße, knöcheltief oder mehr. Es spritze meterhoch, wie lustig, dann hatten wir Wasser im Auto. Einige Zentimeter, wir lachten uns schlapp, 
so etwas war uns noch nie passiert.

Vor dem Haus zogen wir die Schuhe aus, 
um durch den See ins Haus zu gelangen,
das Wasser war warm, die Luft ebenso.
Regen peitschte noch immer, Sturmwolken jagten über den Himmel, 
tief, schnell, bedrohlich.

Das Haus war ruhig, der Strom funktionierte einwandfrei. Im Kinderschlafzimmer lief das Wasser durch die Decke die Wand hinunter, 
im Wohnzimmer kam es durch das Fenster.
Nicht weiter schlimm, wir kuschelten alle zusammen in unseren Betten, hatten Handtücher und Eimer für die tropfende Decke im Kinderzimmer. Wir bekamen die Nachricht, dass am kommenden Tag die Schule ausfallen würde, Freude bei den Kindern. Wir sahen im Internet einige Videos von überfluteten Straßen, nicht ungewöhnlich, das Wasser kommt und geht. Wir schliefen ruhig.

Doch diesmal war es anders.
Der Fluss wurde zum Dämon. Das Wasser riss alles fort.
Keine zwei Kilometer von uns entfernt kämpften Menschen in den Fluten.
Wir wussten es nicht.
Junge verloren ihr Leben, Alte ihr Hab und Gut.
Wer hätte so etwas ahnen können?
Es starben Frauen, Männer, Kinder. Am Ende sind es dreizehn.

Der folgende Tag offenbarte die Katastrophe mit 
unerschütterlicher Grausamkeit.
Früh morgens die ersten Anrufe aus Deutschland, unzählige besorgte Nachrichten den ganzen Tag lang. Uns geht es gut, Gott sei Dank.

Dass wir tatsächlich Glück hatten, wird mir erst im Laufe des Tages klar.
Die Nachrichten überschlagen sich, die Bilder werden immer schlimmer.
Das Rathaus ruft zu Spenden auf, das Militär rückt an, Hubschrauber kreisen, Vermisste werden gesucht, die meisten Straßen sind unpassierbar.

Gegen Abend besuche ich unsere spanischen Freunde in ihrem Büro. 
Die Stimmung ist gedrückt, alle stehen unter den Eindrücken dieses Tages. 
Eine Schulfreundin ihrer Tochter ist unter den Toten.
Mein Herz weint, ich kann mich nicht entziehen. 
Ich trauere um Menschen, die ich nicht kannte.
Eine Tragödie hat sich abgespielt, direkt vor unseren Augen.

Inzwischen wird aufgeräumt. Das Wetter ist herrlich, die Sonne scheint, 
als wäre es nie anders gewesen. 
Das Leben geht weiter, das Meer leuchtet türkis.

Was bleibt? 
Ich bin aufmerksamer geworden, 
erahne die Zerbrechlichkeit des Lebens.
Was ist die Botschaft?
Sehr einfach.

Lass Dein Herz sprechen. 💗
Gehe nicht im Streit auseinander.
Vergib den Menschen, die Dich verletzt haben mögen.

Sage Wichtiges, bevor die Gelegenheit vorbei ist.
Lass niemanden unglücklich zurück.

Sei dankbar für all das, was Dir gegeben wurde.
Strebe nicht nach „Was-Du-nicht-hast“.
Nutze Deine Kraft.

Liebe Deine Freunde, Deine Familie, Deine Nachbarn.
Segne Deine Kinder.
Jeden Tag.

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