Schule, zweiter Teil


Es pfeift, nein es trillert. Schrill und laut.
„Mama! Der meint Dich!“
Oh, hoppla. Erschrocken steige ich auf die Bremse und komme abrupt neben der Uniform mitten auf der Straße zum Stehen. Eine spanische Uniform, Policia local. Sehr schick, ehrlich gesagt, und der unglaublich schnell auf mich einsprechende zugehörige Polizist ist auf den zweiten Blick auch sehr schnuckelig.

Ich checke in Gedanken kurz mein Aussehen und bin heilfroh, dass ich wenigstens die Sonnenbrille aufgesetzt und Zähne geputzt habe. Ich stutze. Der spanische Wortschwall ist verstummt und der Schnuffi in Uniform schaut mich erwartungsvoll, aber auch sehr bestimmt an. Ich versuche mich zu sammeln – was hat er gesagt? Irgendwas mit Einbahnstraße.

Ich werfe einen Blick auf die mir entgegen schwappende Welle an Automobilen jeglicher Art inklusive der im Sekundentakt heran rollenden Schulbusse und verstehe. „Vale, gracias!“ flöte ich der Uniform zu und lege den Rückwärtsgang ein. Morgens vor Schulbeginn fahren alle Eltern in einer lustig um den Block führenden Rotunde ihre Teenager - Söhne und - Töchter zum Institut. Quasi noch während des Fahrens steigen die Kids hurtig aus und der Verkehr kann weiter fließen, aber nur ein eine Richtung versteht sich. Das ganze Szenario hat ein bisschen was von Drive In.

Einmal verstanden, bin ich in der Tat sehr begeistert. Zwei Polizisten regeln die Vorfahrt und Schülerlotsen nehmen die Schulbusse in Empfang. Alles klappt reibungslos, gut durchdacht. Ich überlege, noch eine weitere Runde zu fahren um noch einmal einen Blick auf die Uniform zu werfen, entscheide mich aber dagegen. Ist vielleicht doch etwas albern. Umso erfreuter bin ich dann eine Stunde später, als mich auf dem Weg zur Grundschule schon von weitem diverse Trillerpfeifen begrüßen, klar, die kleinen Schüler brauchen ja auch Polizisten...aber das ist eine andere Geschichte.

Heute, am ersten Schultag im Institut, parke ich unser Cabrio ca. 200 Meter entfernt, da unsere Tochter das Auto so fürchterlich peinlich findet, dass bitte niemand sie damit sehen soll. Gut, es ist momentan nicht das sauberste Fahrzeug auf Erden, es wird ja schließlich auch für die Baustelle genutzt. So stapfen wir vom Parkplatz aus querfeldein den Hügel hinauf, Richtung Schulgebäude. Es wimmelt und wuselt vor Eltern und Teenagern und bei dem ohrenbetäubenden Lärm vermisse ich spontan schmerzlich meine herrlich weichen Ohrstöpsel, die ich im Normalfall nur nachts anlege. Alle Schüler schreien, brüllen, rufen kreuz und quer, begrüßen lautstark ihre Freunde und führen kleine Freudentänze auf.
Meine Tochter und ich wechseln einen etwas hilflosen Blick, straffen dann aber entschlossen unsere Schultern und werfen uns mutig in die Menge. Auf dem kleinen balkonartigen Platz vor der großen Eingangstür informieren wir uns über den aktuellen Stand der Dinge.

Inmitten der wogenden Masse entdecken wir plötzlich lustig gekleidete Menschen in hippen Strand-Outfits, mit Strandlaken, Sonnenhüten und aufgespannten Sonnenschirmen ausgestattet. „Schau mal!“ rufe ich meiner Tochter zu. „Das sind deine Lehrer! Die sind ja alle noch ziemlich jung, cool oder?“
Äh, nein. Das braucht sie gar nicht auszusprechen, das verstehe ich auch ohne Worte.

Au!“ Etwas unwirsch glätte ich meine Haare, die der riesige Sonnenschirm vor mir in regelmäßigen Abständen malträtiert, inzwischen sehe ich bestimmt aus wie ein Wischmop. Ich stehe leicht unentspannt an der Wand der großen Aula, in welche sich die Veranstaltung verlegt hat. Alle Schüler sitzen auf dem Boden und warten auf die Klasseneinteilung, die fröhliche Lehrergruppe entführt eine Klasse nach der anderen in die dazugehörigen Räume. Meine Tochter sitzt etwas unglücklich zwischen all den fremdartigen Kindern und schaut mich immer wieder hilfesuchend an. Mein aufmunterndes Lächeln ist vielleicht nicht mehr ganz so frisch, denn ehrlich gesagt bin ich heilfroh, dass ich dem Zirkus für zwei Stunden entfliehen kann. Es ist ja wenigstens ein kurzer Schultag.

Pünktlich zum Schulschluss drehe ich im laut quietschenden Silberflitzer schon wieder meine Runden, diesmal im echten Kreisverkehr vor der großen Tankstelle, und suche meine Tochter. Endlich entdecke ich sie und traue meinen Augen kaum. Sie steht gut versteckt hinter der Hausecke des Tankstellengebäudes und winkt mich hektisch weiter. Verdutzt fahre ich an ihr vorbei und halte an einer der Zapfsäulen. Keine zwei Sekunden später rutscht ein aufgeregtes Etwas mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze neben mir auf den Beifahrersitz und zischt: „Fahr los!!! Das Auto ist ja so peinlich! Hoffentlich sieht mich keiner von meiner Klasse!“

Inzwischen sind einige Wochen ins Land gegangen und unser Auto ist mittlerweile Gesprächsthema im Institut geworden. Die Jungs der Klasse fragen meine Tochter, was für ein super Auto wir haben und möchten sogar Fotos davon machen. Cabrios werden von Spaniern im Allgemeinen nicht gefahren – zu viel Sonne. „Mama, jetzt fragen mich sogar die Jungs aus der Parallelklasse: Ihr habt doch einen Ferrari, oder?“
Tja, auf die Jungs ist halt Verlass!
So ist der silberne Flitzer auch im Ansehen meiner Tochter etwas gestiegen...aber nur wenn er frisch geputzt ist. 😎

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