"Tanz der Teufel"


Schnatterschnatter.
Es ist heiß und stickig, mal wieder. Und laut. ABER ich schlaues Mäuschen habe ja dazu gelernt und fächle und lächle. Dass mein uralter Fächer nach 30 Jahren tatsächlich mal zum Einsatz kommt, hatte ich wirklich nicht erwartet! Ich drehe ihn allerdings lieber auf „links“, das Motiv vom kitschigen Sonnenuntergang mit zwei sich küssenden Schatten davor muss ja nicht jeder sehen.

Mein Mann und ich sitzen im Klassenzimmer unserer Tochter mittig hinten an der Wand und lassen die Szenerie mal wieder staunend auf uns wirken. Alles fächelt sich Luft zu, denn Klimaanlagen sind hier nicht wirklich populär, zumindest nicht bei den Spaniern. Alles quatscht wie immer wild durcheinander, es ist brechend voll, aber immer noch strömen Papas, Mamas, Omas, Kinder, Geschwister, Lehrer und alle, die sonst nix zu tun haben in den kleinen Saal. Vorne vor der Tafel ist bereits der obligatorische Beamer mit Leinwand aufgebaut und die erste Folie beginnt in Katalan. Super, das heißt ich werde wohl nicht viel verstehen.
Reunion – Elternabend.

Zwei Stunden später lassen wir uns vom Strom der Menschen nach draußen in die milde Abendluft treiben und schauen uns etwas verwundert an. Wir hatten Glück, denn so wie wir auch, sprechen nicht alle Spanier von Natur aus Katalan, und so wurde der Abend in gepflegtem Castellano abgehalten.

Also.“ stelle ich fest: „Wenn ich jetzt mal kurz die Infos zusammenfasse, kommt doch Folgendes raus: 
- ganz wichtig ist die Kommunikation! (muy importante!) Zwischen Lehrern und Eltern, Schülern und Lehrern, Eltern und Schülern und allen, die sonst noch gerne mitreden möchten.
 
- wir feiern ganz viele Feste! ("fires i festes"!) Alle sind herzlich eingeladen, mit zu machen, mit zu helfen, Kuchen zu backen, zu sponsern und mit der ganzen Familie dabei zu sein.

- wenn zwischendurch mal nix zu tun ist, machen wir auch ein bisschen Mathe und Biologie.“ 
 Super, damit können wir arbeiten.“ entgegnet mein Mann und wir fahren beruhigt nach Hause.

Sie kommen!“ Im selben Moment höre auch ich die dumpfen Trommelschläge und kann in der Ferne Rauchschwaden und Fackeln erkennen. Unser Sohn ist völlig hin- und her gerissen zwischen unbändiger Neugier und der Angst vor den schaurigen Masken und dem gruseligen Spektakel, das sich uns unaufhaltsam nähert. Immer wieder versteckt er sich hinter der Menschenmenge auf der Treppe, um dann wenige Augenblicke später wieder hervor zu springen, um nichts von dem Schauspiel zu verpassen. Ehrlich gesagt geht es mir ganz genauso und so stehe ich in sicherem Abstand etwas erhöht auf dem Eingangspodest eines Schuhladens.

Brav wie wir sind, haben wir uns den Aufruf der Schule sofort zu Herzen genommen und besuchen den „Tanz der Teufel“ zum Abschluss des großen Stadtfestes, das schon die ganze Woche dauert. 
Am Nachmittag hatten wir schon gründlich den Flyer der Veranstaltung studiert und die wichtigen! (muy importante!) Sicherheitshinweise gelesen. 
„Jeder Teilnehmer der Parade ist aufgefordert, nur mit langer Bekleidung aus Baumwolle (Arme und Beine bedeckt) und einem HUT als Kopfbedeckung zu erscheinen. Die Veranstaltung findet in einem abgesperrten Bereich statt. 
Ohne zulässige Bekleidung kann man nicht teilnehmen...“
Okay...das klingt zwar ein bisschen seltsam, aber dann ziehen wir uns eben entsprechend an.“ instruiere ich meine Kinder. Meinen Mann brauche ich nicht zu instruieren, an mancher Stelle ist er recht beratungsresistent.

Ich seh sie!“ Die aufgeregte Stimme meines Sohnes bringt mich zurück in die Gegenwart. Ja, da kommen sie! Mit schaurigen Masken, gekrümmtem Gang, mit Dreizacks und in Leiterwagen sitzend, bewaffnet mit brennenden Fackeln und begleitet vom Trommelfeuer der mallorquinischen Trommelgruppe wogen die Teufel direkt durch die Zuschauermenge in der engen Fußgängerzone. Abgesperrt wird hier nichts, keine Feuerwehr, keine Polizei, es sieht ja jeder, dass sie kommen.
Die Teufel sind nun direkt vor uns, sie kommen ganz nah, sie brüllen uns ins Ohr, necken und stupsen die Zuschauer und spucken Feuer. Ich bekomme trotz der Wärme eine dicke Gänsehaut, das ist wirklich gruselig! Am Ende der der teuflischen Menge läuft ein riesiger Drache und bedeutet den Zuschauern, ihnen zu folgen.

Dicht gedrängt stehen wir eine Viertelstunde später an der hüfthohen Absperrung rund um den großen Platz am Meer und warten gespannt. Wieder weisen die mystischen Trommelklänge den Teufeln den Weg. Urplötzlich explodiert vor uns die Nacht. Die Teufel stürmen den Platz, jeder mit einer langen Stange bewaffnet, die voll gepackt ist mit Feuerwerksböllern und es beginnt eine Feuershow aus Pyrotechnik! 
Es knallt, es pfeift, es raucht, die Teufel tanzen und, ich kann es kaum glauben, Teile der Menge auch! Immer mehr Zuschauer lösen sich aus der Dunkelheit und hüpfen mit den Teufeln inmitten des Feuerwerks wie wild auf dem Platz herum.
Jetzt verstehe ich endlich die „Sicherheitshinweise“ - ohne lange Kleidung darf man nicht zu den Teufeln! Unglaublich.
Kurz erscheint vor meinem inneren Auge die Vision, die gleiche Veranstaltung spontan in unseren beschaulichen Wohnort in Deutschland zu verlegen...IMPOSIBLE! Alle würden auf der Stelle in Ohnmacht fallen.

Es knallt und pfeift schon wieder, diesmal allerdings über dem Meer. Wir sitzen im warmen Sand am Strand, gemeinsam mit allen anderen Zuschauern des „Teufelstanzes“ und betrachten selig das wunderschöne Abschluss-Feuerwerk über dem Bootssteg. Bei jeder Rakete entschlüpft unserem Sohn ein ehrfürchtiges „Ah“ und „Oh“, so etwas haben unsere Kinder noch nie gesehen. Wir allerdings auch nicht, die außergewöhnliche Choreografie bezieht sogar das Wasser mit ein und so steigen einige Feuerwerkskörper direkt aus dem Meer in den sternenklaren Nachthimmel.

Erschöpft, zufrieden und mit imposanten Eindrücken beschenkt, fahren wir kurz vor Mitternacht zurück nach Hause. Mallorcas „Fires i festes“ sind wirklich einen Besuch wert und ich bin schon gespannt auf die nächsten, an denen wir teilnehmen.
Sicherheitskleidung haben wir ja schon. 😎


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