"Weihnachtet es sehr?"

Ich sehe doppelt. Etwas ratlos betrachte ich mein zweifaches Spiegelbild vor mir. „Du musst dich umdrehen!“ Ach ja, klar. In Deutschland mache ich beim Friseur nichts selbst, nicht mal das „Spiegel Halten“ um mich von hinten zu sehen.

Tja, auch das war ein Besuch voller Überraschungen.
Ich brauchte Farbe, dringend. Aufs Haar.
In Deutschland im Allgemeinen als „Strähnchen“ bezeichnet, versehen mit einer Riesenauswahl an Varianten: Dunkelblond, aschblond, rotblond, goldblond, mittelblond...der erste Besuch bei einem neuen Friseur beginnt dort erst einmal mit 20 Minuten Farbe aussuchen aus einem reichhaltigen Aufgebot an schweren Ordnern voller Farbmuster. Deshalb bin ich heilfroh, wenn die richtige Strähne endlich gefunden ist und fein säuberlich in meiner Kartei vermerkt. „Aufgelistet“ quasi, wie beruhigend.

Es kam also auch hier der Tag, an dem eine frische Kolorierung meiner Haarpracht unvermeidlich war. So machte ich mich auf, einen adäquaten Friseur zu finden und stiefelte auf Grund der bequemen Nähe zur Wohnung direkt an der Strandpromenade in einen kleinen Salon. Termin bekommen, los geht’s. In Englisch, Spanisch, Deutsch, hier ist es international.

Ich brauche Farbe, dringend“ „Claro. Blond?“ „Si.“ „No problem.“
Ich setze mich hin und habe umgehend Strähnchen im Haar.
Willst du blond, bekommst du blond. Oder rot, braun, schwarz. Zack, fertig. Ohne Schnickschnack, dafür mit inbrünstig mitgesungenen 80er-Jahre-Hits, denn Engländer lieben Karaoke.
Wie lustig, das macht gute Laune!

Fast hätte ich sie übersehen. Frisch erblondet laufe ich etwas später in der warmen Herbstsonne durch die Fußgängerzone, als meine Augen an der hiesigen Weihnachtsbeleuchtung hängen bleiben. Sagen wir mal so, sie haben etwas aufgehängt. Unaufdringlich.
Dieses Jahr kam der erste Dezember für mich wirklich überraschend, zum Glück haben wir noch rechtzeitig Adventskalender für die Kinder bekommen. 
Es gab zwei Sorten zur Auswahl, muy facil...das hat uns viele Diskussionen erspart.

Weihnachten findet hier de facto bis jetzt nur sehr spärlich statt. Weder stolpert man in jedem Geschäft über Riesenregale voller Weihnachtsmänner-Armeen, noch über Lebkuchen, Plätzchen, Glühwein oder sonstiges Feiertags-Equipment. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Geschenke bei den Mallorquinern von den „Heiligen drei Königen“ zu den Kindern gebracht werden, also zwei Wochen später als in Deutschland. 
Ob der "Weihnachtswahnsinn" allerdings noch Einzug hält, wage ich zu bezweifeln, das ist außerhalb der Hauptstadt nicht vorgesehen. Die Touristen tummeln sich in Palma, dort kann man ausgiebig Weihnachtsluft schnuppern, mit üppiger Beleuchtung, riesigem Weihnachtsmarkt, Musik, Trubel.
Ansonsten ist es ruhig wie immer, tranquilo. Mir gefällt das. 

Ein bisschen Tradition brauche ich hier allerdings auch. Unser Adventsgesteck habe ich in einem deutschen Restaurant ergattert, das zum Saisonabschluss einen kleinen Adventsmarkt organisiert hat. Mit Bratwürstchen und Glühwein. Am ersten Advent werden wir den Gottesdienst in der spanischen Kirche besuchen und so unsere Weihnachtszeit beginnen. Vielleicht laufen wir dann auch einmal die Fußgängerzone entlang, um die beruhigende Beleuchtung zu bewundern.
Mit Sangria und Eiscreme. 🍷🍦

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