„Isch `abe gar keine Auto“
Nerv.
Mit Schwung knalle ich die Autotür zu und latsche mit meinem ganzen
Geraffel wieder retoure, zurück in unsere Wohnung im fünften Stock.
„Batterie ist leer!!!“ brülle ich, noch an der Haustüre stehend, damit
der Rest der Familie die Situation schon mal richtig einordnen kann.
Es
gibt Tage, da erreicht meine durchaus milde Grundstimmung, die ich
mir in den letzten Monaten gegenüber allen anfallenden Widrigkeiten
des alltäglichen Lebens antrainiert habe, einfach ihre natürlichen
Grenzen.
„Schon
wieder?“ kommt die erstaunte Stimme meines Mannes aus der Dusche.
Und gleich anschließend die Bitte: „Kannst du mal kurz den
Wasserhahn aufdrehen?“ Abwartend steht er in voller Schaummontur
unter der tellergroßen Regenbrause, aus der es leider nicht braust,
sondern tropft. Die Wasserpumpe im Keller des Hauses ist aus
Kostengründen etwas zu klein ausgefallen und schafft es daher nicht
regelmäßig, die ausreichende Wassermenge zu uns nach oben zu
befördern. Dreht man jedoch gleichzeitig den Wasserhahn am
Waschbecken auf, fließt das herrliche Nass sogleich viel schneller
aus der Duscharmatur, warum auch immer. Die spanischen (Wasser)Wege
sind manchmal etwas verschlungen.
„Das
Starterkabel hat sein Schwiegersohn und der ist bis heute Abend in
Palma.“ übersetze ich ihm gut zwanzig Minuten später, als wir
gemeinsam mit Juan und unserem Sohn fachmännisch das unschuldig
aussehende Cabrio betrachten. Wie schon so oft ist Juan unser Helfer
in der Not und kam sofort nach unserem Hilferuf mit seinem
metallic-blauen Pickup, der mir übrigens auch ausnehmend gut
gefällt, zu uns gefahren. Wir diskutieren kurz die Alternative, die
gesamte Batterie auszubauen und extern aufzuladen, da wir sie jedoch
unter der Motorhaube auch nach intensiver Suche nicht finden können,
verwerfen wir den Plan ziemlich schnell wieder.
„El Chino“, schlägt Juan daraufhin vor. Natürlich! Der Chinaladen, der ALLES hat, nie geschlossen ist und über ein unterirdisches Preisniveau verfügt, dort wird man uns sicher weiterhelfen.
„El Chino“, schlägt Juan daraufhin vor. Natürlich! Der Chinaladen, der ALLES hat, nie geschlossen ist und über ein unterirdisches Preisniveau verfügt, dort wird man uns sicher weiterhelfen.
„Perfekt“
jubele ich dann kurze Zeit darauf, als unser Silberflitzer wieder
schnurrt wie ein Kätzchen und wir mit einer zweistündigen
Verspätung endlich zum Einkaufen fahren können. Zur Sicherheit
bleibt mein Mann mit laufendem Motor in der breiten, blau
gestrichenen Parkbucht für Familien stehen, während mein Sohn und
ich eilig die wenigen Sachen im Laden besorgen.
Alles
verstaut, hervorragend! Ich wende mich gerade zum Gehen, um den
Einkaufswagen in der langen Polonaise seiner Artgenossen anzudocken,
als ein lauter Knall mich gehörig zusammenfahren lässt. Das Cabrio
steht. Der Motor läuft einwandfrei, mein Mann rührt mit dem
Schalthebel wie mit einem Schneebesen beim Sahneschlagen, doch es
hilft nichts. Das Auto bewegt sich nicht.
„Vielen
Dank, das war wirklich nett von Ihnen“ bedankt sich unser Sohn
sehr artig, als wir eine halbe Stunde später mitsamt unseren
Einkaufstüten vor unserer Haustür aus dem weißen Baustellenbus
herauspurzeln. „Das nächste Mal bleibe ich lieber zu Hause“,
fügt er anschließend noch hinzu, die Autoaktion war definitiv nicht
nach seinem Geschmack. Ein sehr netter, deutscher Arbeiter hat uns in
unserer Not seine Hilfe angeboten, so dass uns ein laaaaanger
Fußmarsch quer durch die ganze Stadt zum Glück erspart blieb.
Das
Ende vom Lied ist also: wir fahren seit zehn Tagen Fahrrad. Bei Wind
und Wetter, Regen, Sturm und Sonnenschein. Unser silbernes Cabrio
steht immer noch auf dem besagten Parkplatz und wartet auf
Abschleppung.
Da die Mallorquiner, wie wir inzwischen wissen, sehr großen Wert auf ihre Feste legen, hatte in der vergangenen Woche kein Mechaniker Zeit, sich um unser Anliegen zu kümmern, denn:
Da die Mallorquiner, wie wir inzwischen wissen, sehr großen Wert auf ihre Feste legen, hatte in der vergangenen Woche kein Mechaniker Zeit, sich um unser Anliegen zu kümmern, denn:
Wir feierten SAN ANTONI, zu Ehren des Schutzpatrons der Tiere.
Die Kurzfassung dazu: eine Woche lang Teufel und Pyrotechnik, riesengroße Lagerfeuer mitten in der Stadt, Hierbas, Rotwein, Sobrassada und Gesang. Es wurde tatsächlich eine Woche lang ein einziges Lied gesungen, auch die tägliche Schulmusik kannte nur diese eine Melodie.
Ich
kannte aus dem vergangenen Jahr natürlich schon diverse Filmchen
dazu aus dem Internet. Doch was mich in der Realität einmal mehr
verblüfft hat, ist die Stimmung, die über der gesamten Stadt liegt.
Es fühlt sich an wie eine große Studentenparty.
Es fühlt sich an wie eine große Studentenparty.
Das
Rathaus verteilt an langen Tischen kostenlos für jeden ein
„Grill-Kit“, bestehend aus zwei Würsten, zwei Scheiben Speck und
Brot so viel man möchte, dazu noch Rotwein und Wasser. Dieser Art
reichlich bestückt sucht man sich dann ein Plätzchen an den
meterlangen Grillrosten, die an jeder Ecke aufgebaut wurden und an
welchen man mit vielen anderen gut gelaunten Mallorquinern gemütlich
beisammen steht und seine Beute grillt. Auf Besteck wird verzichtet,
jeder hat ja seine Finger dabei.
Der
„Dimoni“ macht seine Runden und tanzt um die zahlreichen gigantischen
Feuer, begleitet von der örtlichen Musikgruppe und natürlich dem
Gesang aus hunderten gut geölten Kehlen.
Es gibt keine neonbestückten Naschbuden, keine wummernde Technomusik und nervtötende Schlagerbeschallung, kein Karussell oder anders geartete Möglichkeiten, sein Vermögen in irgendwelchen Konsumtempeln zu versenken.
Hier hat man das Geld nicht zum Hinauswerfen.
Es gibt keine neonbestückten Naschbuden, keine wummernde Technomusik und nervtötende Schlagerbeschallung, kein Karussell oder anders geartete Möglichkeiten, sein Vermögen in irgendwelchen Konsumtempeln zu versenken.
Hier hat man das Geld nicht zum Hinauswerfen.
Es
ist familiär und entspannt in der festlichen
Nachtstimmung, die Gassen des Ortes sind in warmes Laternenlicht
getaucht. Wir machen Halt an einem kleinen Hof und werden sofort
herzlich zu Essen und Trinken eingeladen, denn Freunde unserer
Freunde sind Freunde.
So
lassen wir uns wieder einmal mitnehmen auf eine Reise durch Mallorcas
Feste und da sich diese Woche sowieso alle zu Fuß durch die Straßen
bewegen, kommen auch wir ohne unser motorisiertes Hilfsmittel ganz
gut zurecht.
In der Zwischenzeit haben wir immerhin eine Diagnose zu unserem traurigen Autohaufen bekommen: die Radaufhängung ist gebrochen und wir sind im Nachhinein heilfroh, dass es nicht mitten im örtlichen Kreisverkehr oder auf der Schnellstraße nach Palma passiert ist.
In der Zwischenzeit haben wir immerhin eine Diagnose zu unserem traurigen Autohaufen bekommen: die Radaufhängung ist gebrochen und wir sind im Nachhinein heilfroh, dass es nicht mitten im örtlichen Kreisverkehr oder auf der Schnellstraße nach Palma passiert ist.
Und
wenn uns nicht wieder ein Fest in die Quere kommt, haben wir bis zum
Frühlingsbeginn auch wieder ein Cabrio zum Spazierenfahren...🚘