„Let`s talk about...“



Sex. Natürlich.
Nur zur Erinnerung: Ich arbeite auf einer Männer-Baustelle. Testosterongeschwängerte Luft, derbe Witze, viel Bier und freitags Gin Tonic mit Taccos zum Wochenende. Tja, da ist man recht schnell beim wesentlichen Thema, an dieser Stelle gibt es auch keine Sprachbarrieren. Jedoch erstaunlicherweise die einstimmige Erkenntnis, dass Frauen und Männer eventuell nicht immer so gut zusammenpassen...?

Ich krieche mal wieder auf allen Vieren den Fußboden entlang und inhaliere den Baustaub, der nach wie vor in allen erdenklichen Farbvarianten darauf wartet, eingesammelt zu werden. Was mache ich nur, wenn wir die Baustelle beendet haben? Habe ich ohne Staubfegen noch eine Daseinsberechtigung? Seufzend richte ich mich auf und lande mit der Nase direkt im schwarz behaarten Maurerdekolleté, das sich vor mir auf der Leiter hin und her schwingt. Ganz ehrlich, das sind Einblicke, die keiner sehen möchte.

Ich muss allerdings zugeben, dass auch hier der Variantenreichtum breit gefächert ist. Und nicht alle Spanier sind von Natur aus rassig, nein. Die Jogginghose hängt auf halb acht, der breite Rand der Unterhose drückt den gut gepflegten Bierbauch nach oben, so dass er in kleinen Kaskaden über den Hosenbund schwappt. Bei jeder Erschütterung schwingt das Gesamtkunstwerk in wellenartigen Bewegungen vor und zurück, ein Naturschauspiel der etwas anderen Art. Mein Blick wandert zum laut singenden Kompagnon in der Küche, der mit der Figur eines Grashüpfers ausgestattet ist und bei dessen Anblick man wiederum froh ist, das er Klamotten am Leib trägt, sonst würde man ihn glatt übersehen. Dafür ist das Dekolleté knochig und unbehaart.

Wir feiern. Laut und fröhlich, und zwar den positiven Ausgang eines Vaterschaftstests. Dass ich mich über so etwas mal freuen würde, hätte ich im Traum nicht gedacht. Der Papa ist überglücklich und lässt seinen Gefühlen ungehemmt freien Lauf. Euphorische Jubelschreie wechseln sich ab mit Heulkrämpfen, die ihn nur so schütteln und ständig finde ich mich in einer festen Umarmung wieder - mir ist von diesem Wechselbad der Gefühle ganz schwindelig. Aber ja, ich kann ihn verstehen.
Und damit ist die Diskussion auch schon eröffnet.

Alle, wirklich ALLE der spanischen Chicos, die wir im Laufe unserer Baustelle kennengelernt haben, sind geschieden oder getrennt und alle haben Kinder. Diese, für meinen Mann und mich etwas erschütternde Tatsache, führte sogar so weit, dass wir einen Freund unseres Arbeiters, der zufällig vorbei kam, unumwunden fragten: „Bist du geschieden?“ - „Si“. - „Hast du Kinder?“ - Si.“ - „Danke für deinen Beitrag“...ich fürchte, der arme Kerl hat kein gutes Bild von uns.

Tja, wie kommt es zu den häufigen Trennungen? Die Gründe sind vielfältig und doch nicht überraschend. Die Geschichten sind denen, die wir aus Deutschland kennen, absolut ähnlich, die Konsequenzen werden hier jedoch wesentlich schneller und radikaler gezogen. Was nicht heißt, dass die Beteiligten weniger leiden.

Der überglückliche Papa hatte den Traum einer kleinen Familie, die er durch seine eigene harte Arbeit ernähren wollte. Ein Haus, zwei süße Kinder, die Frau kümmert sich um das Zuhause, sie muss nicht arbeiten gehen. Doch ihr Ehemann war so gut wie nie bei ihr und den Kindern....was kommt? Sie lernt einen anderen kennen. Ihr Mann beendet die Ehe und leidet furchtbar. Trotzdem gibt es für ihn keinen Weg zurück, aber die Gewissheit, dass der kleine Sohn sein eigener ist, ist nun sein wichtigstes Fundament, auf das er sein Leben bauen wird.

So und ähnlich lauten die Berichte, die wir zu hören bekommen und was ist letztendlich die einzige Ursache, wenn wir alles andere ausblenden? 
Richtig. Sex.
Für die einen zu wenig, für die anderen zu viel, mit der falschen Person oder zu mehreren...ich denke, ich muss das an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Sind Frauen und Männer tatsächlich füreinander geschaffen? Weshalb ist gerade dieses Thema so häufig der größte Streitpunkt? Ist Monogamie nur ein Mythos? Bleiben die Menschen nur wegen ihrer Kinder zusammen? Wer ist dabei glücklich? Gibt es richtig und falsch?
Nein, das denke ich nicht, es gibt nur Entscheidungen jedes einzelnen von uns und wenn man Glück hat, entscheiden sich die Beteiligten für die gleichen Dinge.

Mein Mann und ich sitzen inmitten der lebhaft diskutierenden Spanier und uns schwirrt der Kopf. Mit unseren mittlerweile mehr als zwanzig Beziehungsjahren kommen wir uns ein bisschen vor, als wären wir Außerirdische, dieser Umstand scheint hier ja ziemlich abgefahren zu sein.

Wieder einmal sind wir mittendrin im Schauspiel des Lebens, es zu meistern, ist nach wie vor die größte Herausforderung für uns alle.

In diesem Sinne:
„Happy Valentine“ – da haben sich doch alle wieder lieb...oder? 💑

Zur Feier des Tages entlasse ich euch alle heute in eure eigene Fantasie...hasta pronto! 🌈

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