„El camino...“

So, und zur Belohnung gibt’s das Essen erst morgen!“ schnauze ich die unschuldige Theke in unserer neuen Küche an, die mir unglücklicherweise im Weg rumsteht. Ohne Rücksicht auf Verluste werfe ich alle unsere Einkäufe mit Schwung in die Mitte des Raumes und brauche erstmal Ruhe. Ja, zugegeben, die Stimmung war schon besser. Besonders meine.

Nach zehn Minuten „Durchatmen“ trotte ich brav zurück und sortiere unsere Errungenschaften sorgfältig in die Schränke, das ist ja inzwischen glücklicherweise möglich. Geschlagene eineinhalb Stunden waren meine Tochter und ich auf unseren Fahrrädern unterwegs, um in sechs (!) verschiedenen Geschäften die notwendigen Utensilien für selbstgemachte Sushi aufzutreiben. Bekommen haben wir am Ende alles Notwendige, doch um halb sieben hatte keiner von uns mehr Nerven für die Zubereitung.
Also gab es Spaghetti „Aglio e Olio“ und das japanische Traditionsgericht wurde auf Sonntag verschoben.

Ich esse Sushi besonders gerne wegen der Glückskekse. Am liebsten mag ich solche, in denen etwas Gutes drinsteht und ich nicht viel machen muss. Ich wollte eigentlich keine Floskeln und Sprüche hören, jetzt sind sie erstaunlicherweise das, was mich in den letzten Tagen wieder nach vorne schauen ließ.

Der erste Keks lässt sofort wieder mein Gedankenkarussel kreisen und ist eher ein Schlag in den Magen:
„Jeder ist seines Glückes Schmied“
Super, vielen Dank.

Doch mein zweiter Keks stimmt mich etwas versöhnlicher:
Der Weg ist Teil der Reise. Genieße ihn.“

Das ist vielleicht wirklich ein Anfang. Nicht zu verwechseln mit dem ziemlich häufig gequälten Satz: „Der Weg ist das Ziel.“
Bei mir ist eindeutig das Ziel das Ziel. Und mein Ziel ist immerhin klar umrissen, ich werde aber bis dahin offensichtlich noch einige Schleifen auf mich nehmen müssen. Aber welcher Weg ist schon ohne Kurve?

Ich bin auf der Suche. Nach neuen Perspektiven in meiner „alten Heimat“. Nicht einfach. Den meisten Erfolg habe ich bei der Zusammenstellung der Dinge, die ich nicht mehr tun möchte. Würde ich noch Listen schreiben, wäre diese hier ziemlich lang. Doch ohne Ideen zurückzukehren wäre fatal, einige schlummern tatsächlich schon in meinem Hinterkopf und warten auf Abruf. Gott sei Dank.

Hier habe bereits die notwendigen Schritte für unsere Rückkehr in die Wege geleitet, ich brauche eindeutige Zeichen. So bekommt meine leise Hoffnung hinsichtlich einer Planänderung in letzter Minute erst gar keine Gelegenheit, mich auf die falsche Fährte zu führen.

Das kommende Jahr wird individuell werden. Im gleichen Maße, wie wir hier auf der Insel unser Familienleben gemeinsam genossen haben, werden wir in Deutschland unweigerlich separiert werden, jeder von uns wird wieder seinen eigenen Alltag haben. Es fällt mir unglaublich schwer, mir das vorzustellen. Ich kann das Gefühl nicht abschütteln, etwas Gutes gegen etwas eindeutig Schlechteres einzutauschen – und wer würde das sehenden Auges schon gerne tun?

Nach den anstrengenden Tagen, an denen ich wirklich am Boden zerstört war, komme ich langsam wieder in die Gänge. Ja, es ist ja tatsächlich auch meine Entscheidung, zurück zu gehen, egal aus welchem Grund.
Also versuche ich, die Chancen zu nutzen...offensichtlich habe ich noch Dinge zu erledigen.
Und meine Familie bleibt zusammen, das wird auch in Zukunft unsere Basis sein.

Ganz vollständig werden wir allerdings doch nicht sein -
einen großen Teil meines Herzens lasse ich hier zurück.

This one goes out to the one I love
This one goes out to the one I've left behind
A simple prop to occupy my time
This one goes out to the one I love...“


https://www.youtube.com/watch?v=fUmqYSAiyOc

Beliebte Posts aus diesem Blog

„Verstehst du mich???“

"Zerrissen"

Ich hab Hunger!